Meldungen (6): Beobachter über Ärzte und Pharma in der Schweiz [akt.]

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Der Beobachter hat in seiner neusten Ausgabe das Titelthema „Gekaufte Ärzte: Wie die Pharma Mediziner an sich bindet“.

Es gibt einen Rechercheartikel und ein Interview mit dem 68-jährigen profilierten Gesundheitsökonomen Heinz Locher. Erfreulicherweise sind die Artikel frei zugänglich.

Gesundheitswesen: Wie sich Ärzte von der Pharma kaufen lassen, Beobachter, 28. März 2012, Ausgabe: 7/12

Wer sich kritisch äussert, 
wird von Berufskollegen geschnitten.

Mit einem sogenannten Vorteilsverbot im Heilmittelgesetz wollte man vor zehn Jahren verhindern, dass die Industrie die Ärzte weiterhin «anfüttert»; sprich: sie beim Verschreiben von Medikamenten ­beeinflusst.

Bezeichnend für die geringe Sensibilität von Ärzten ist ein Erlebnis der Lausanner Medizinstudentin Alexandra Miles, die das Thema in ihrer Masterarbeit aufgreifen wollte. Dazu kontaktierte sie sämtliche ­medizinischen Direktoren der öffentlichen Spitäler der Schweiz. Mit null Reaktion: Sie erhielt keinen einzigen Fragebogen zurück.

Nach zehn Jahren sind die Mängel des «Anti-Korruptions»-Gesetzes aber so offensichtlich geworden, dass unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. Für die geplante Revision des Heilmittelgesetzes schlug das Bundesamt für Gesundheit deshalb vor zwei Jahren eine «Offenlegungspflicht» vor.

Interview mit Heinz Locher:

Ärzte und Pharma: «Es herrscht überhaupt kein Unrechtsbewusstsein», Beobachter, 28. März 2012, Ausgabe: 7/12

Heinz Locher hat zusammen mit dem ehemaligen FMH-Präsidenten (Ärzteverband) Hans-Heinrich Brunner das Buch Die Schweiz hat das beste Gesundheitssystem - hat sie das wirklich? geschrieben. Hans-Heinrich Brunner hat das Buch in Eile vor seinem Tod geschrieben und war bei der Veröffentlichung bereits verstorben.

Die Richtlinien der Ärzteschaft sind viel zu zahm, und der Kodex der Pharma sieht nicht einmal Sanktionen vor. Auch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft müsste geächtet werden, wer gegen Standesregeln oder Branchenrichtlinien verstösst.

Ich bin grundsätzlich gegen Sponsoring in der ärztlichen Fortbildung. Auch wenn ein Geldgeber nicht aktiv auf das Programm einer Veranstaltung einwirkt, entstehen trotzdem psychologische Abhängigkeiten.

Der frühere Artikel Interessenkonflikte, psychologische Mechanismen und deren Ausnutzung analysiert und beschreibt einige der wichtigsten psychologischen Mechanismen. Er enthält grundlegendes Wissen.

Ärzte werden zu dieser Haltung «sozialisiert», sie wurden schon in ihrer Assistentenzeit so «erzogen».

Wer Karriere machen will, darf sich nicht mit dem Establishment anlegen. Interessenkonflikte sind noch immer ein Tabuthema.

Endlich wird das Thema Ärzte und Pharma auch in der Schweiz öffentlich thematisiert. Nur weil nicht darüber geredet wird,heisst dies noch lange nicht, dass auch kein Problem existiert.

Ich empfehle diese beiden Beobachterartikel allen zur Lektüre.

Gemäss neuster Wemf-Studie ist der Beobachter vom Springer Verlag mit 987‘000 Leser und Leserinnen die meistgelesene Publikumszeitschrift der Schweiz. Die Artikel haben deshalb eine rechte Streuung und bringen hoffentlich Bewegung in die Sache.

Situation in Deutschland?

Seelsorge für die Industrie, Der Spiegel, 16. Mai 2011

Sobald die Hochschulmediziner auf den Lohnlisten pharmazeutischer Firmen erfasst sind, ist deren Unabhängigkeit gefährdet. Ober- und Chefärzte fungieren nunmehr als „Meinungsbildner“ - spöttische Ärzte halten die Bezeichnung „Mietmäuler“ für treffender: Sie sollen den Interessen ihrer Auftraggeber dienen, sprich: den Firmen Glaubwürdigkeit verleihen und für hohe Verschreibungszahlen sorgen.

Top Verdiener in der Pharma Neu!

Die 10 Topverdiener der Schweiz, tagesanzeiger.ch: (Tagesanzeiger.ch/Newsnet), 30. März 2012

Unter den Top Ten, die in der Bildstrecke abgebildet sind, rangieren gleich vier Chefs von Pharmaunternehmen

Die Topmanager Joe Jimenez (Novartis), Ernst Tanner (Lindt & Sprüngli) und Joe Hogan (ABB) gehörten bereits 2010 zu den Spitzenverdienern der Managerriege und konnten 2011 darüber hinaus noch zulegen. Jimenez verdiente im Vorjahr um 3 Millionen Franken mehr als im Jahr 2010.

Rohdaten von Moneyhouse: http://www.moneyhouse.ch/wirtschaft/vips/die_spitzenverdiene…

Die Pharmamanager haben auch ganze Arbeit geleistet, wie obige Artikel zeigen. Sie sind ihr Geld wert!

Gehirnstruktur Neu!

Gehirn ist überraschend einfach gestrickt, Spiegel Online, 29. März 2012

Eine US-Studie zeigt nun, dass Nervenbahnen aber in ordentlich gewebten Strukturen verlaufen.

Wedeen und sein Team gehen von einer einfachen Erklärung für den Aufbau der Netze aus. Während der Embryonalentwicklung orchestrieren Moleküle die Formgebung des Körpers entlang der drei Körperachsen: der Längsachse (von Kopf bis Fuß), der Sagittalachse (vom Rücken zum Bauch) und der Transversalachse (von links nach rechts).

Zu Krankheiten, bei denen eine Störung der Faserbahngeometrie beteiligt ist oder sein könnte, gehören etwa Schizophrenie, Multiple Sklerose, Schlaganfall, Demenz und Aufmerksamkeitsstörungen.

Originalartikel publiziert in der Zeitschrift Science:

Wedeen VJ, Rosene DL, Wang R, Dai G, Mortazavi F, Hagmann P, u. a. The Geometric Structure of the Brain Fiber Pathways, Science, 30. März 2012, 335(6076):1628–34

Patric Hagmann ist ein Schweizer Forscher vom Universitätsspital Lausanne (CHUV). Der Artikel ist leider nicht frei zugänglich.

Beitrag im Schweizer Radio DRS im Magazin Wissenschaft:

Die Wege des Hirns sind ergründlich, Wissenschaft DRS 2, 31. März 2012 5:25

Erfolge in der Forschung? Neu!

Mehrzahl der Erfolge in Krebsforschung täuscht, Spiegel Online, 29. März 2012

Selbst Forscher zeigen sich schockiert: Die wenigsten der als Durchbruch vermeldeten neuen Ansätze in der Krebstherapie werden nach Jahren tatsächlich weiter verfolgt. Schuld seien zu frühe und unkritische Publikationen. Auch negative Ergebnisse müssten veröffentlicht werden, fordern Experten.

Medizin rationieren?

Medizin rationieren?, Echo der Zeit, 29. März 2012

Neue Studien fordern eine Einschränkung der Leistungen im Gesundheitswesen. Der leitende Anästhesist am Unispital Basel fordert dies schon lange.

Schwenkglenk M, Gutzwiller F. Nutzen und Wert medizinischer Leistungen, Akademien der Wissenschaften Schweiz, 29. März 2012 (PDF)

Diese Studie haben im Auftrag der Akademien der Wissenschaften PD Dr. Matthias Schwenkglenk und Dr. Florian Gutzwiller vom Institut für pharmazeutische Medizin der Universität Basel erstellt. Der Bericht beschreibt die Methoden zur Bewertung medizinischer Leistungen sowie deren Anwendung in verschiedenen Ländern mit Vor- und Nachteilen. Es erfolgt eine zusammenfassende Beurteilung der möglichen Bedeutung dieser Methoden für die Schweiz.

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